OpenAI schlägt schon seit längerem große Wellen. Zum Beispiel letzte Woche durch das Ausrollen von ChatGPT Search und das Überholen von Bings Traffic-Zahlen. Man munkelt, dass OpenAI bald Google überholen wird, das wir vor der großen AI Revolution stehen und Sam Altman eigenhändig die Weltherrschaft an sich reißen wird.
Gut, der letzte Punkt ist vielleicht erfunden. Nicht erfunden ist jedoch, dass OpenAI als heller Stern am KI-Himmel gesehen wird. Innerhalb von 2 Jahren den drittgrößten Suchmaschinen Anbieter auf dem Markt zu überholen, ist kein kleiner Erfolg.
Eine Metrik, welche in vielen Diskussionen zum Thema ChatGPT allerdings oft außen vor gelassen wird, ist der Umsatz/die Profitabilität von OpenAI. Profitabilität eines Geschäftsmodells ist ein starker Indikator für die Zukunftsperspektive eines Unternehmens.
Dazu hat Edward Zitron Anfang letzten Monats einen ausführlichen Artikel über die Wirtschaftlichkeit von OpenAI geschrieben. Hier ein paar short-facts dazu:
OpenAI schließt gerade eine Investitionsrunde über 6,5 Milliarden USD.
Zusätzlich dazu planen sie einen Umsatz von 3,7 Milliarden USD zu erwirtschaften.
Insgesamt würden sie damit dann 4-5 Milliarden USD Verlust machen dieses Jahr.
Geplant ist, dieses im nächsten Jahr auf 11,5 Milliarden USD zu verdreifachen.
Ob so eine Steigerung realisierbar ist, sei erstmal dahingestellt (ich zweifle es an), jedoch würde OpenAI selbst bei Eintreten der Prognose und einer Halbierung der Kosten immer noch 2 Milliarden USD verlieren.
Dank ihrer horrenden Kosten gibt OpenAI $2,35 aus, um $1 einzunehmen. Keine besonders ertragreiche Statistik.
Klar, als Nutzer ist es uns egal, wie viel Geld eine Firma macht. Aber wenn eine Firma Jahr für Jahr große Minuszahlen schreibt, ohne wirkliche Aussicht profitabel zu werden, gibt einem das schon zu denken.
Und ja, viele Firmen wie Google und Meta haben in ihren ersten Jahren auch negative Zahlen geschrieben. Allerdings nie in einem Ausmaß wie OpenAI und meist auf eine bewusste Art und Weise.
Beispielsweise haben Google und Meta in ihren ersten Jahren auf ihre Ad-Modelle verzichtet, um erstmal eine User Base aufzubauen. Sie hatten allerdings einen realisierbaren Plan für eine profitable Monetarisierung. Etwas, das OpenAI gänzlich fehlt.
Wo liegt also OpenAIs Problem?
Abgesehen von ihren großen Kosten, schafft OpenAI es nicht, Nutzer zu konvertieren. Nur etwa 3% aller Nutzer von ChatGPT werden auch zu zahlenden Kunden, wie Edward in seinem Artikel schreibt.
Was in einigen Märkten eine ganz solide Conversion Rate wäre, funktioniert nicht in einem Markt, wo jeder Free User massive Mehrkosten für OpenAI bedeutet.
Zusätzlich dazu gibt es mit neuen Chatbot-Anbietern, die aus dem Boden schießen wie Unkraut und Produkten unter großen Häusern wie Microsoft und Google, starke Konkurrenz. Ein Problem, das OpenAI hat, ist, dass ihnen ein Alleinstellungsmerkmal fehlt. Eigentlich leidet der gesamte AI Markt unter diesem Problem.
Klar ist Tool A besser in der einen Sparte, während Tool B ein Feature bietet, welches Tool C noch fehlt, aber Features können keine Alleinstellungsmerkmale sein.
Gerade die derzeit rumgehenden News zu Claude 3.5 Sonnet und Googles Jarvis sind hier ein gutes Beispiel. Sobald ein Unternehmen ein neues Feature schafft, holt die Konkurrenz auf.
Wie kann OpenAI sich sonst vom Markt abheben?
Peep Laja spricht in dieser Podcast Folge über 4 mögliche Wege für ein Unternehmen hervorzustechen:
1. Be Hot
Manchmal muss man nicht immer besser als andere sein – es reicht oft, wenn man in aller Munde ist. Das beste Beispiel hierfür ist Zoom während der Pandemie. Aufgrund ihrer einfachen Bedienbarkeit hatte Zoom zum Start der Pandemie schnell an Popularität gewonnen.
Als die Konkurrenz dann in Sachen Bedienbarkeit und Features auf- und überholt hat, hatte Zoom bereits einen riesigen Vorteil aufgrund ihrer Beliebtheit.
Als Vorreiter in Sachen generative KI erfüllt OpenAI diesen Punkt allerdings schon. Der Name ChatGPT wird mittlerweile fast als Synonym für KI verwendet:
Ein Vorteil darin, hot zu sein, ist, dass bei mangelnder Unterscheidung am Markt, Menschen oft zur größten Marke tendieren. Als bekannteste Marke in Sachen generativer KI profitiert Open AI derzeit wahrscheinlich sogar vom Mangel an Alleinstellungsmerkmale auf dem Markt.
2. Personal Branding
Leute mögen Tesla wegen Elon Musk. SparkToro ist zu großen Teilen dank Rand Fishkin beliebt geworden. Ohne Steve Jobs wären weder Apple noch Pixar, was sie heute sind. Mit Personal Branding können Unternehmen Anknüpfpunkte zu Nutzern aufbauen und sich vom Markt abheben.
Auch hier ist OpenAI aus meiner Sicht bereits stark vertreten. Sam Altman ist eine sehr öffentliche und oft polarisierende Person. Im Vergleich zu anderen generativen AI-Anbietern ist OpenAI hier bereits weit vorne.
3. Change the Game
Der Weg hier liegt nicht in neuen Features, sondern darin, alles auf den Kopf zu stellen.
IKEA ist zum beliebtesten Möbelhaus der Welt geworden, in dem sie Langlebigkeit für niedrige Preise tauscht, kaum Personal für Beratung bereitstellen und Fleischbällchen verkaufen. Das ist so weit weg von traditionellen Möbelhäusern, wie man nur sein kann.
Wie genau das für OpenAI aussehen soll, kann ich mir leider noch nicht vorstellen. Wäre es einfach, hätte OpenAI diese Probleme auch nicht.
4. "Focus on Market Fit"
"Focus on Market Fit" bedeutet, sich auf eine Nische zu konzentrieren.
Das kann man zum einen durch Polarisierung machen. Black Rifle Coffee stellt, wie der Name vermuten lässt, Kaffee her. Dieser zeichnet sich nicht durch besondere Qualität oder Nachhaltigkeit aus. Stattdessen glänzt die Marke in dem sie offen mit ihren Einstellungen gegenüber Waffengesetzen und MAGA sind.
Verständlicherweise gefällt das vielen nicht, aber mehr als genug Leute kaufen von dem Unternehmen für genau diese Einstellung.
Es fällt mir schwer eine Version von OpenAI zu sehen, welche sich ähnlich polarisierend darstellen wird. Doch vielleicht wird Sam Altman mich hier überraschen.
Eine weitere Variante des Market Fits wäre das Umstrukturieren auf eine spezielle Zielgruppe.
Eine Möglichkeit für OpenAI wäre hier der Fokus auf Enterprise-Nutzer oder ihren Cloud-Service. OpenAI hat in diesem Jahr zwar stark an Enterprise Nutzern zugelegt, allerdings ist der dadurch entstehende Umsatz nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und wäre es auch, wenn sich die Anzahl der Enterprise Nutzer im nächsten Jahr verdoppeln würde.
In seinem Artikel bricht Edward die Umsatzzahlen nochmal etwas genauer herunter und bei Interesse würde ich Dir dazu raten, diesen zu lesen.
Grob zusammengefasst bringen die 1 Millionen Enterprise/Teams Nutzer im besten Falle allerdings um die $600 Millionen Umsatz im Jahr. Die Profitabilität aufgrund von eventuellen Großvolumen-Deals bleibt ebenfalls zu hinterfragen.
Damit bleibt OpenAI nur noch der Privatnutzermarkt. Eben der Markt, bei dem OpenAI für jeden potenziellen Neukunden erstmal draufzahlen muss. Der Markt, bei dem OpenAI Probleme hat, Nutzer überhaupt zu zahlenden Kunden zu konvertieren und bei dem OpenAIs größter Konkurrent wahrscheinlich die free-to-use Version von ChatGPT selbst ist.
Wenn der Umsatz durch den Verkauf von ChatGPT an Privatkunden nicht ausreicht und sowohl die Nachfrage der Unternehmen als auch der Entwickler, um den Cloud-Service zu nutzen, nicht groß genug ist, was bleibt OpenAI dann?
Hier liegt auch das meiner Meinung nach größte Problem für OpenAI derzeit. Der derzeitige generative KI-Markt ist nicht groß genug.
OpenAI will dieses Jahr 3,7 Milliarden Umsatz erzielen. Nächstes Jahr sollen es über 11 Milliarden sein. Laut dieser Studie gehört OpenAI etwa 40% des gesamten generativen AI-Marktes.
Laut Backlinko sogar weit mehr. Das heißt, dass selbst wenn OpenAI den gesamten Markt an sich reißen würde, würden sie ihr Umsatzziel für 2025 nur gerade so erreichen. Und das obwohl sie sogar bereits Bing in Sachen Traffic überholt haben.
OpenAI hat also 2 große Probleme.
Sie können trotz Dominanz am Markt nicht genügend Nutzer für sich konvertieren und
der Markt scheint nicht groß genug für ihre Ambitionen zu sein.
OpenAI hat demnach also 2 Möglichkeiten.
Sie können das Rad neu erfinden. Sie können versuchen, Wege zu finden, ähnlich wie Ikea, grundlegend anders zu funktionieren. Damit müssten sie allerdings nicht nur den Großteil des Marktes für sich gewinnen, sondern auch schlagkräftige Gründe für das Kaufen von ChatGPT Premium Service finden.
Sie können auf eine explosive Entwicklung des Marktes hoffen.
Irgendwo dazwischen gibt es wahrscheinlich auch noch die Möglichkeit, eine so überzeugende KI zu generieren, dass Kunden sie aus ihren Händen reißen und Konkurrenten keine Chance zum Aufholen haben.
Nach dem Release vom o1-Modell in ChatGPT, bei dem Sam Altman entgegen der Meinung seiner Kollegen zu einem go-live drängt, um trotz unfertigen Produkt Investoren zu überzeugen, zweifel ich jedoch an so einer Realität.
In den letzten 2 Jahren ist AI zwar immer besser geworden und hat sich Feature für Feature ausgebaut, jedoch hat es keine Firma in dem Zeitraum geschafft, ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal oder eine bahnbrechende Anwendungsweise zu kreieren.
Schlichtweg gibt es derzeit einfach keinen Grund für die meisten Leute, für Premium AI-Services zu bezahlen.
Die Frage ist also, wie die Chancen für das Wachstum des Marktes stehen. Dass der generative KI-Markt wachsen wird, steht außer Frage. Möglicherweise sogar wesentlich stärker als vorhergesagt. Wahrscheinlich werden sich etliche Möglichkeiten auftun KI zu nutzen, welche heute noch gar nicht auf dem Schirm sind.
Ob das jedoch rechtzeitig für OpenAI passiert, bleibt abzuwarten. Laut Prognosen werden sie nämlich spätestens Mitte nächsten Jahres in eine neue Fundraiser-Runde gehen müssen (bis dahin muss auch ihre Market Evaluation stark steigen, um Investoren zu behalten) und werden das wahrscheinlich kurz darauf erneut wiederholen müssen.
Selbst wenn sie sich wie geplant in ein For-Profit-Unternehmen umwandeln, werden sie weiterhin auf dieselbe Art und Weise Geld verlieren. Zusätzlich dazu stehen OpenAI auch noch nicht unwesentliche andere Probleme, wie der Verstoß gegen Copyright-Gesetze und ein massenhaftes Verlassen von Mitarbeitern, im Wege.
OpenAIs Rolle als zukünftiger Stern am Tech-Himmel ist alles andere als sicher. Ich denke die nächsten 2 Jahre werden zeigen, ob OpenAI wirklich eines Tages bei Größen wie Google mitspielen kann, oder ob sie als Hype-Wunderkerze ausbrennen.
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