Ende Oktober gab es ein kleines, aber hochinteressantes Treffen bei Google: Das Google Web Creator Conversation Event.
Oder wie ein Teilnehmer schreib: Die Google HCU Losers Class of 2024.
Danny Sullivan (Public Liaison for Search bei Google) hat eine handverlesene Gruppe von 20 Content-Kreaturen (das war die Google Docs Autokorrektur beim Versuch, einen Denglisch-Plural von “Creator” zu schreiben…) eingeladen um mit Google Search Entwicklern zu reden.
Mit dabei z.B. Gisele Navaro von House Fresh, die mit Luftreinigern keinen Traffic mehr machte, aber mit ihrem Artikel How Google is killing independent sites like ours viral unterwegs war (wir berichteten).
Die Domains aller Teilnehmer waren vom September 2023 Core Update (Helpful Content Update aka HCU) aus den SERPs gefegt worden. Quasi eine kuratierte Stichprobe von dem, was beim HCU schiefgegangen ist.
Sie haben eine Googleplex-Gäste-Tour von Danny und ein Goodie Bag bekommen und wurden einen Tag mit einem Haufen Googler eingesperrt, um über Ihre Rankingverluste und mögliche Lösungen für kleine, unabhängige Publisher zu reden.
Ziel war es (scheinbar), den Entwicklern die Perspektive der Betroffenen zu zeigen und Ideen für die Verbesserung der Suche zu sammeln.
Um einer Handvoll Bloggerinnen und Blogger zu sagen "Hey, passionate writer, we see you, we are sorry, it's more complicated than you might realize, and we are working on it.", war es zu aufwändig.
Vermutlich wurden die Teilnehmer ermutigt, über das Treffen zu berichten, etwa ein halbes Dutzend hat es zumindest getan (die Berichte, die wir gefunden haben, findest Du gesammelt am Ende des Artikels).
Das ganze könnte ein PR-Stunt gewesen sein, aber dafür hat Google zu wenig PR darum gemacht. PR ist vermutlich eher ein netter ein Nebeneffekt und Google hofft, dass eigenständige Berichte der Gäste die Glaubwürdigkeit steigern und dass andere sie organisch verlängern (so wie wir ;). Gern geschehen, Danny Sullivan.
Vielleicht war die PR zu dem Thema aber auch ein notwendiges Übel (in dem Fall: sorry, Danny Sullivan ¯\\_(ツ)\_/¯), aber dann hätte man vermutlich NDAs verteilt.
Was können wir aus den Berichten lernen?
Die Berichte legen nahe, dass die Googler ehrlich an dem Input der Bloggerinnen und Blogger interessiert waren. Und es gab natürlich auch Aussagen von Google in den Berichten – darum wählte ich das Adjektiv “hochinteressantes” im ersten Satz. Ich hab mir für Dich die Berichte durchgelesen und es gibt einiges zu lernen:
Google hat natürlich keine spezifischen Tipps gegeben, aber man kann interessante Dinge zwischen den Zeilen lesen:
1. AI-Spam und die Menge an halbgarem AI-Schlonz ist für Google ein riesiges Problem
Ohne das HCU wäre das viel schlimmer, aber Domains, wie die der Gäste, sind als Kollateralschaden mitbetroffen.
2. Es gibt Sitewide-Effekte aber keinen Sitewide-Faktor
Obwohl Teilnehmende das Thema vielfach angesprochen haben und die domainweiten Effekte eine eindeutige Sprache sprechen, haben Danny Sullivan und die Google Entwickler das immer wieder verneint.
Es klingt für mich, als hätten Googles Entwickler mit einem zentralen Nachteil von AI-Algorithmen zu kämpfen: Die Modelle sind nicht zu debuggen, sondern eigentlich nur neu zu trainieren.
Google weiß nicht, warum manche Domains komplett aus den SERPs gekegelt wurden. Sie wissen nicht genau, warum der Algorithmus gute Inhalte mit Spam in einen Topf wirft. Stichwort Overfitting?
So oder so, das Thema Sitewide-Effekte scheint Google nicht im Detail besprechen zu wollen.
3. Für HCU-Opfer wird es keine schnelle Erlösung geben
Aus dem Treffen ergaben sich hoffentlich Anhaltspunkte für das Search Team, was das sprichwörtliche Lineal in den Hautkrebsbildern ist. Aber selbst wenn großartige Lösungsansätze gefunden wurden, wird die Umsetzung Zeit brauchen.
Danny Sullivan und Co. haben den Teilnehmern geraten, nicht auf das nächste oder übernächste Core Update zu hoffen, sondern langfristiger zu denken.
Und da sich in der Zwischenzeit die SERP verändert hat und neue Integrationen die Landschaft verändern, ist auch, wenn HCU-Effekte für Deine Domain komplett zurückgedreht würden, die Welt nicht wie vorher.
4. Die Quality-Rater bewerten nicht die Inhalte selbst, sondern ob sie zur Suche passen
Eigentlich keine Neuigkeit, aber gut, sich das mal wieder ins Gedächtnis zu rufen. Wenn ein Quality Rater Deine Domain vor die Nase gesetzt bekommt, dann immer im Kontext einer konkreten Suche.
Mit anderen Worten: Google interessiert nicht wirklich, ob dein Inhalt generell gut ist, sondern nur, ob er ein gutes Ergebnis für eine Suchintention ist. Das gilt sogar für News und Discover, wobei man die Bedeutung des Wortes “Suchintention” da etwas beugen muss.
5. Nutzersignale sind schwer zu deuten und messen
YouTube kann für das Ranking seiner Videos ganz gut Likes, Kommentare und Spielzeiten heranziehen. Aber Nutzersignale in den SERPs sind schwerer zu bewerten.
Sind mehr Queries zu einem Thema oder weniger nach einem Klick auf Dein Ergebnis ein gutes oder schlechtes Signal?
6. Google Ads und Google Search sind nicht das Gleiche
Viele Publisher bekommen von Google Ads Ansprechpartnern "Guidance", die nicht unbedingt etwas zu tun haben mit dem, was Google Search sagen würde. Es ist nicht so, als würde das Search Team die Google Ads Ansprechpartner schulen. Deren SEO-Tipps sind also potenziell mit Vorsicht zu genießen.
7. Es wurden auch Ideen diskutiert die nicht direkt mit Rankings zu tun haben
Ideen waren zum Beispiel:
- Verifizierungssysteme für echte Creator (blaue Häkchen an den Snippets?)
- In manchen Nischen könnten echte, unique Bilder (z.B. Reiseblogs) ein gutes Signal sein, um Handarbeit von mittelmäßigem Massen-Content zu unterscheiden
- Creator Programme wie YouTube, TikTok und co. haben, um Inhalte anders über Google monetarisieren zu können
- For You Page in Chrome
- Unabhängige Content Creator in Discover stärken
- Mehr konkrete Ratschläge und Feedback der Google Search Console
- Bessere Informationen zu Ads und ab wann es spammy wird
- Bessere Kommunikation und Dokumentation für Creator
Das sind natürlich erstmal nur Ideen, die bei dieser Veranstaltung gesammelt wurden und keine ToDo-Liste für das Google Search Team. Aber es sind ein paar interessante Gedanken dabei.
Wenn Du gerade dabei bist zu überlegen, bei Deinem Reiseportal bei den Bildern zu sparen und auf AI oder Stock Photos zu setzen, dann ist das vielleicht noch ein Datenpunkt für die Abwägung.
Bessere Kommunikation, Dokumentation und Infos in der GSC wären natürlich großartig. Auch wenn die Begründung ist: “so we don’t have to pay SEOs”. Wir sind sicher Dass Du und andere trotzdem noch spannende SEO-Herausforderungen habt, bei denen wir unterstützen können
Die Liste der Berichte vom GWCCE
Wenn Du Dir die Berichte zum Google Web Creator Conversation Event aus erster Hand zu gemüte führen willst, die folgenden haben wir bereits gesichtet:
Fun Facts und Randnotizen
Und zum Schluss noch ein paar Randnotizen aus den Berichten, die nichts mit SEO zu tun haben:
Remote Work und Layoffs sind am Googleplex nicht spurlos vorbeigegangen:
Mehrere Berichte thematisieren, dass der Google Campus ziemlich leer und verlassen war. Es haben zwar rund 30 Googler am Treffen teilgenommen (und 30 weitere Remote), aber abgesehen von den Teilnehmenden waren kaum Googler vor Ort.
Danny Sullivan macht einen guten Job:
Mehrere der Berichte waren zumindest in Teilen fast schon ein Loblied auf Danny und haben betont, dass Danny ihren Sorgen und Nöten gegenüber sehr empathisch war und die Googler tatsächlich versuchen, die Lage zu verbessern.
Foodblogger bekommen noch ein eigenes Event:
“I asked Danny about this and he said that they’re a group with different and unique needs and so he’s planning on doing something separate with them. Food creators get special attention once again.”
William Tang auf seinem Blog Going Awesome Place
Vielleicht ist das Rezepte-Markup wirklich eine SEO Eigenheit, die Food-SEO besonders macht.
Vielleicht ist in Dannys Budget auch nicht genug Luft gewesen, um die ganze Gruppe mit einem Catering zu versorgen, das für die verwöhnten Gaumen der Foodsies erträglich war
Vielleicht war es einfach günstiger, die Foodies in kleinerer Runde extra einzuladen? Wir werden es wohl nie erfahren…
|