Jetzt, da ich Deine Aufmerksamkeit habe, möchte ich mit Dir einen Blick rüber auf die dunkle Seite der SEO-Macht werden. Dem Linkbuilding. Mal wieder habe ich einen Blick ins Black-Hat-Forum gewagt und bin dabei auf eine sehr catchy Überschrift gestossen "
8 Things I've Learned By Selling Over $10 Million in Backlinks
".
Mal sehen, was wir auf der White-Hat-Seite davon lernen können.
Schon die Einleitung verrät ein düsteres "Geheimnis":
"There was a group of influential individuals that would preach whitehat "link earning" while they were part of the largest link selling operations. They would tell their audience that earning links was the only way to do it, all while they were orchestrating the sales of links from top media websites."
Doch nun zur Backlink-Checkliste:
1. Backlinks sind noch immer das Top-Signal, um Ranking und Autorität zu boosten
Der Absatz beginnt mit "I'm not sure how many times I have to rehash this statement, but it continues to be true.", leitet aber neben der Untermauerung für die Wichtigkeit von Backlinks bereits weitere wichtige Faktoren wie Speed, Onsite-Optimierung und Schema Markup ein.
Unumstritten ist wohl der Fakt, dass Links einen Unterschied ausmachen können zwischen einer neuen Site mit Null Markenbekanntheit und keinen Links vs. einer Site, die hier etwas unternimmt. Gleichwohl wird das Zeitalter der Xrumer und Spam-Linkerei für beendet erklärt.
Der White-Hat-SEO in mir schreit auf und sagt: "Ja, und nicht erst seit ein paar Tagen!".
2. Google wird schlauer, wenn es um Network Links geht
Während mich die Überschrift dieses Absatzes nur leicht schmunzelnd in meinen SEO-Sessel zurückfallen lässt, finde ich die für mich spannendste Aussage in diesem Absatz: "Do
PBN
s still work? Yes, but only if they are made exclusively for you and you are the only person that knows they exist".
Apropos PBN (Private Blog Network): An dieser Stelle fällt mir der liebe Nicolas Sacotte ein, der wie kein Zweiter aus der Welt der Linkerei berichten kann.
Flo
:
Zunächst einmal stell Dich doch bitte kurz vor
Nicolas
: Hallo und Danke für das spontane Interview Flo! Mein Name ist Nicolas Sacotte und ich bin Gründer der
Content Marketing Agentur Contentking
.
Wir sitzen hier mit einem kleinen aber feinen Team von 6 Mann am schönen Bodensee und versuchen gemeinsam mit unseren Kunden richtig geilen Content zu schaffen, der dann idealerweise auch gerne von anderen Webseiten digital empfohlen wird. Und diese Empfehlungen aka "Backlinks" sind in der Tat nach wie vor das Zünglein an der Ranking-Waage.
Wir helfen unseren Kunden dabei, genau diese wertvollen Links auf möglichst natürlichem Wege zu bekommen. Und wenn ich gerade mal nicht über das nächste geile Content-Piece sinniere, dann halte ich einmal pro Woche noch Vorlesungen an der RWU und führe Studenten im Rahmen meiner Dozenten-Tätigkeit in die Welt des Suchmaschinenmarketings ein.
Nach Feierabend findet man mich gerne auch mal zu Hause bei der Familie am Grill – meine eigene kleine Work-Life-Balance-Methode quasi.
Flo
:
Was kannst Du uns über PBNs erzählen? Sind die Aussagen im Artikel wirklich neu, oder musste man hier nicht schon immer aufpassen?
Nicolas
: Ich bin ja schon ein ganze Weile auf dem SEO-Spielfeld unterwegs und habe 1998 in meiner Studenten-WG angefangen Websites zu bauen.
Der Kontakt mit SEO kam im Prinzip sofort, weil das damals der einzige wirklich probate Weg war, an große Besucherströme zu kommen. Social Media gab es noch nicht und Google Ads war ebenfalls noch nicht geboren.
Damals war das der der digitale Marketing-Wilde-Westen und man konnte eigentlich mit jedem Link gute Erfolge erzielen: Themenrelevanz und Herkunft waren völlig egal – Hauptsache Links und davon viele. Irgendwann hat Google aber angefangen gezielt nach Footprints und Patterns zu suchen, womit es immer schwieriger wurde, an passende Backlinks zu kommen.
PBNs waren schon damals immer eine preisgünstige und vor allem planbare Abkürzung zu besseren Rankings. Irgendwann hatten die Jungs in Mountain View aber dann die Schnauze voll und haben 2012 dann das erste Penguin-Update ausgerollt. Und auch bereits die Jahre davor gab es immer mehr Webmaster, die eine Penalty bekommen haben und deren Webseiten ins Ranking-Nirvana abgestürzt sind.
Um auf die Frage zurückzukommen: Es war früher sehr viel einfacher mit PBNs gute Rankings zu schaffen, aber aufpassen musste man schon immer. Schon damals hatten SEOs und Linkeinkäufer panische Angst vor Strafen und Links von offiziell gehandelten Listen waren von Anfang an nicht gerne gesehen.
Die Jungs, die Ahnung von SEO hatten, haben dann auch auf Muster wie IP-Verteilung, Server-Standort, Sprache etc. geachtet, aber die breite Masse war immer noch auf schnelle Rankings mit möglichst geringem Aufwand aus und hat dann auch echt jeden Link mitgenommen.
Flo
:
Was bedeutet diese Verschleierung in Punkto Aufwand für eine Agentur?
Nicolas
: Ich kann da aus dem eigenen Nähkästchen plaudern, weil wir damals selber ein ziemlich großes PBN aufgebaut hatten, das zusätzlich noch mit zwei anderen großen und bekannten PBNs vernetzt war.
Ich muss gerade selber schmunzeln, aber wir haben damals schon auf "Qualität" gesetzt. Unser PBN war sehr sauber thematisch geclustert und wir haben auch nur auf thematisch passende/nahe URLs verlinkt.
Das war auch im Vertrieb immer einer der USPs, die wir verkauft haben. Dann haben wir die Projekte (weitestgehend expired Domains, oder Domains mit entsprechendem Tier-2- und -3-Fundament) zusätzlich auf viele verschiedene Server mit noch mehr unterschiedlichen IP-Adressen gepackt. Auch das war immer ein gutes Verkaufsargument damals.
Unterschiedliche CMS, Layouts, Designs etc. haben das ganze "abgerundet". Wir haben wirklich versucht alle Muster zu verschleiern, sofern möglich. Am Ende des Tages liegt darin aber eben auch der größte Aufwand: Domains, Server/Hosting, IP-Adressen, Themes/Layouts, Content und die ganze Technik für die Verwaltung tausender Projekte dahinter kosten Geld und Manpower, auch wenn wir einen wirklich beeindruckenden Automatisierungsgrad dahinter hatten. Das musst Du auch haben bei einer fast fünfstelligen Zahl an Domains. Das ist ein hoher Aufwand und damit auch ein hohes Risiko, vor allem weil man ja in der Regel dann auch Langzeitverträge eingeht.
Am Ende des Tages hat es ein paar Jahre gehalten und wirklich gut funktioniert, aber ich erinnere mich auch noch an den Tag, als damals noch Matt Cutts (pünktlich zur Campixx in Berlin) eines unserer Partner-PBNs offiziell via Twitter offengelegt und von jetzt auf gleich "zerstört" hat. Und das, obwohl die auch gut ausgestellt waren in Sachen Verschleierung.
Ein paar Wochen später sind uns dann auch reihenweise die Domains aus dem PBN aus dem Index geflogen. Erst 10 an einem Tag, dann 50 am nächsten und Ende der Woche waren es dann 500 auf einen Schlag. Binnen 3 Wochen war eigentlich der komplette Bestand gekillt und das Geschäftsmodell damit obsolet.
Und dann wurde es erst richtig aufwendig: alle Kunden informieren und beruhigen, mit Mitarbeitern sprechen, mit Lieferanten (Server/Hosting/IPs) verhandeln, Teile der Infrastruktur verkaufen und das Business neu ausrichten, was uns buddhaseidank erstaunlich gut gelungen ist.
Am Ende des Tages schwer zu sagen, warum das alles sukzessive abgeflogen ist, aber ich denke es war eine Reihe an parallelen Faktoren, von denen sicher auch einige eher manueller Art waren.
Du kannst die ganze Technik so gut kaschieren wie möglich, zum Schluss hast Du immer Kunden, auf die du von 20 oder 50 Deiner Domains verlinkst... Und Zack ist da ein Muster, was du nur weiter analysieren und aufdröseln musst, um den Großteil des Rests des PBNs zu identifizieren.
Deswegen stimme ich dieser Aussage vollkommen zu: "Do PBNs still work? Yes, but only if they are made exclusively for you and you are the only person that knows they exist."
Flo
:
Im Artikel werden Penalties erwähnt, die mittlerweile nicht mehr manuell sondern per AI aufgedeckt werden. Welches Ausmaß kann das annehmen?
Nicolas
: Naja, im Grunde hängt da ja immer ein ganzer "Rattenschwanz" mit dran. Hast Du einen, hast Du alle. So ähnlich hat Google vermutlich auch damals unser und die anderen größeren PBNs in Deutschland erwischt. So etwas manuell aufzudecken, vor allem ab einer gewissen Größe, kann echt sehr zeitaufwendig sein. Aber wenn es manuell machbar ist, dann gibt es eigentlich immer einen noch besseren und schnelleren programmatischen/ automatisierten Ansatz.
Google sitzt auf einer so fetten Datenbasis, dass das für die mittlerweile ein Kinderspiel sein sollte, sofern das Link-Angebot für mehr als einen Abnehmer verfügbar ist, denn immer dann entstehen sehr eindeutige Muster.
Netterweise bestraft Google aber in den meisten Fällen dann auch nur die linkempfangende URL, nur in schweren Fällen leidet das gesamte Netzwerk darunter. Das Problem ist aber immer: wenn es keine "manual link-action" ist, dann wirst Du nicht via GSC über die Penalty informiert. Du hast dann einfach viel schlechtere Rankings, kannst aber ganz oft nicht zu 100% sagen, ob das an den gekauften Links liegt oder sonst etwas im Argen ist auf Deiner Seite.
Der Großteil der Strafen ist derzeit leider auch algorithmisch und deshalb für viele Webmaster schwer durchschaubar. Vor allem wenn es um alte "Hinterlassenschaften" geht und im Unternehmen keiner mehr so genau weiß, dass es Kauflinks gibt/gab.
Flo
:
Vielen Dank, lieber Nicolas! Hier ist jetzt noch Platz für Dein Angebot und Deinen Link des Tages
:
Nicolas
: Danke! Mein Angebot an Eure Leser: wer sich strategisch im Bereich Content Marketing neu ausrichten und das Thema optimieren möchte, dem helfen wir gerne weiter. Mehr Infos und
Kontaktmöglichkeiten gibt es auf unserer Agentur-Webseite
.
Link des Tages geht an unsere Hochschule bzw. den Studiengang
"Internet und Online Marketing"
, weil wir dort die kommenden Generationen an Online-Marketern lehren/ausbilden und richtig coole Projekte machen.
3. Kein automatisches Tool kann die manuelle Kontaktaufnahme ersetzen
Ja und ja! Wer kennt sie nicht, die belanglosen Mails mit Bitte um Kooperation zu einem völlig anderen Business.
"Editors and writers can detect an SEO pitch from a mile away." kann man hier sicher nur unterschreiben. Darüber hinaus kann es dann schon gefährlich werden. Je mehr man ins Detail geht und etwa konkrete Linklisten mitsendet und je genervter der Empfänger, desto schneller droht die Gefahr, dass diese Aktion – zu Recht –
bei Google gemeldet wird
.
4. Links allein reichen nicht mehr aus
Fett geschrieben sind die Zwischenüberschriften dieses Absatzes: Compelling Offers, Optimized Conversion Focused UX, Strong Brand.
Ja, Heidewitzka! Wenn ich doch all diese 3 Punkte schon erfülle, dann sollten die Links doch schon von ganz alleine sprudeln. Wer dann noch schlaue Content-Kampagnen ins Rennen bringt, verdient sich die Links automatisch.
5. Regeln für den Anker-Text
Die Empfehlung in diesem Artikel lautet: externe Links sollten eher generalistisch sein, d.h. eher Short Head Verlinkungen beinhalten, während interne Links eher deskriptiv sein sollten.
Vielleicht lese ich diese Regel auch zu streng, aber grundsätzlich sind doch auch Longtail-Verlinkungen insbesondere von extern hilfreich. Oder wie siehst Du das?
6. Bloß nie den Geldhahn zudrehen...
Puh ne, diesen Absatz skippen wir besser...
7. Wettbewerb steigt, während Verlinkungsmöglichkeiten sinken
Je weiter ich lese, desto mehr fühlt sich der Artikel wie eine Achtung-Hands-Off-Anweisung an.
Es gibt täglich tausende neue Websites, damit mehr Konkurrenz, die sich um die weniger stark wachsende Audience bemüht.
Hinzu kommen weniger verfügbare Plätze im Ranking, die am Ende auch Traffic bringen. Viele Ads, Position Zero, Featured Snippets, etc. machen es uns allen schwer.
8. 90% der Linkbuilder-Agencies (und deren Kunden) sind verschwunden
Als Grund wird Folgendes angegeben:
"Why? Because most agencies spring up thinking the game is easy and they soon realize that it's not as simple as it appears. Not only have they disappeared, but their clients' have suffered the fate of working with inexperienced SEOs."
Hier rächt sich, dass ich Absatz 6 nicht ausgeführt habe, denn darin stand, dass man als Kunde vom Linkbuilding einen langen Atem haben soll. Von 1.000 Euro oder sogar 10.000 Euro pro Monat ist die Rede.
Ich stelle mal die These in den Raum, dass der Hauptgrund für die ausbleibenden Aufträge hier ein Shift in Richtung ordentlicher Arbeit an der eigenen Seite sind. SEO durch Handauflegen kann nicht funktionieren und ich freue mich, dass dieser Fakt aus den eigenen Kreisen bestätigt wird.
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