KI frisst den ganzen Traffic auf und “klaut” sich die Inhalte zusammen. Warum sollte ich noch Content erstellen? Die Frage habe ich oft gestellt bekommen und diskutiert.
To create or not to create. Fast eine philosophische Sinnfrage.
Die Aussichten auf Traffic sind düster. In vielen Fällen ging es nie um Traffic, aber das Prinzip des Webs war es bisher, dass Suchmaschinen Traffic senden.
Was also tun Suchmaschinen und andere Plattformen wie KI-Chatbots, die Inhalte nur (illegal) schlucken, damit Penunzen einsacken und uns mit ein paar Pfennigen stehen lassen?
Aus meiner Sicht solltest Du weiterhin relevante Inhalte fĂĽr Deine Zielgruppe erstellen. Und damit meine ich nicht nur Inhalte, die nah an einer Conversion sind. Daher ein Disclaimer:
Es geht nicht um triviale und banale “SEO-Inhalte”
Vorsicht: Ich sage nicht, dass Du morgen loslegen solltest, um ein Begriffslexikon trivialer Inhalte anzulegen. Diese Zeiten sind wirklich tot (abgefrĂĽhstĂĽckt durch die KI und schon immer mit geringem Wert).
Hast Du unmittelbar geschäftsrelevante Inhalte abgedeckt, kannst Du aber den Horizont erweitern. Damit Du Kunden da abholst, wo
- sie noch nicht wissen, was die richtige Lösung für ihr Problem ist.
- sie Vergleiche unterschiedlicher Lösungen anstellen.
- sie Einwände für Deine Lösung recherchieren.
Falls Dir das als Argument nicht reicht (das verstehe ich), habe ich noch 6 weitere fĂĽr Dich.
1. SEO ist mehr als ein Performance-Kanal – es geht um Einflussnahme
“It’s easy to think of content as “just an acquisition channel,” but in reality, your 800 (AI-generated) SEO posts will have a bigger impact on the public perception of your brand than your latest product landing page.”
– Ryan Law
Wir kommen häufig mit Inhalten in Berührung, die noch nicht direkt mit einer harten Conversion zu tun haben und die Wahrnehmung wird durch diese Kontaktpunkte geprägt. Man kann es sich etwa so vorstellen:

Die Suche (in egal welchem Interface) ist einer der häufigsten Berührungspunkte, die man mit unserer Marke haben kann. Wenn wir hier bei relevanten Fragestellungen und Suchen sichtbar sind, hat das selbstverständlich langfristig einen Einfluss.
Eine Kaufentscheidung wird maĂźgeblich durch Wiedererkennung und Vertrauen beeinflusst. SEO ist demnach (und war es nie) ein reiner Performance-Kanal. Wir haben ihn nur lange Zeit so behandelt.
Nicht umsonst sagt man, dass die SERP das Schaufenster für Dein digitales Geschäft (Deine Website, Dein Unternehmen, Dein Produkt/Service) ist.
2. Wenn Du es nicht machst, machen es andere (und fĂĽllen sich die Taschen)
Wer keine Inhalte erstellt, kann langfristig keine Zitierungen bekommen und wird auf Dauer unsichtbar.
Klar, es gibt weiterhin einen digitalen Fußabdruck Deiner Marke (den Du Dir vielleicht jahre- oder jahrzehntelang aufgebaut hast). Aber je länger kein neues Futter kommt, desto mehr werden die Spuren verwischt.
Wenn die KI Deine Marke erwähnt und/oder Deine Domain zitiert, wirst Du gesehen. “Gesehen werden” hatte schon immer einen Einfluss:

Im Beispiel kann man sehen, dass Nike 3x im ersten Viewport erwähnt und 2x in der sichtbaren Linkbox Zitierungen bekommt.
Ich weiß nicht, woher die Annahme kommt, dass relevante Sichtbarkeit nichts bringt. Werbetafeln, digitale Werbeeinblendungen, Sponsorings, etc. Alles hat eine Wirkung. Im Gegensatz zu Push-Kanälen haben wir den Vorteil, dass Menschen mit einer Intention suchen.
Auch wenn man nicht klickt, wird Deine Marke z. B. im Kontext einer relevanten Fragestellung sichtbar und wenn das häufig passiert, kommt es zu einer Prägung der Markenwahrnehmung.
Wir wollen also an allen Stellen, wo wir Einfluss nehmen können, das tun und sichtbar sein. Durch generative KI ändert sich nichts an dieser Idee.
3. Informationale Inhalte haben (möglicherweise) einen größeren Einfluss, als wir annehmen
Kevin Indig hat die Hypothese aufgestellt, dass der Verlust von “TOFU [Top of Funnel] Content Traffic” teilweise mitverantwortlich sein könnte, warum es bei einigen Seiten weniger Organic Search Conversions gibt.
Sein Konzept (adaptiert von der Preiselastizität aus der VWL – habe mich an mein Studium zurückerinnert gefühlt) = Demand Activation Elasticity oder Nachfrageaktivierungselastizität.
Die Idee: Wie stark verändert sich das Kauf- bzw. Conversion-Verhalten, wenn ich jemanden früh in der Customer Journey beeinflusse?
Ein hoher Wert bedeutet, dass der frühe Einfluss sich auch auf folgende (nicht lineare) Phasen auswirken kann. Wäre doof, wenn wir annehmen, dass mehr Sichtbarkeit nicht hilft und andere uns die Butter vom Brot klauen:

Nur weil wir etwas nicht messen können, heißt das nicht, dass dieses etwas keinen Einfluss hat. Daher sollten wir Dinge tun, wenn sie logisch sind – auch, wenn wir sie nicht messen können.
4. Generative KI ist schon heute eine wichtige Quelle fĂĽr die Markenauswahl
G2 hat eine Umfrage durchgefĂĽhrt, um das Kaufverhalten im Software-Bereich zu analysieren. Einer der Charts stellt dar, wie stark welche Quellen den Entscheidungsprozess beeinflussen. Generative KI steht mittlerweile ganz oben:

Ein paar Einwände:
- Sie haben die Survey-Fragen nicht geteilt; das kann ggf. Ergebnisse verfälschen
- Es ist nur eine Umfrage und kein beobachtetes Verhalten
Eine Software Review Site, wie G2, ist zumindest in der aktiven Wahrnehmung hinsichtlich Beeinflussung der Markenauswahl im Software-Bereich hinter generativer KI. Ufff.
Durchatmen. Es ist einer von vielen Kanälen und was Menschen sagen weicht von dem ab, was sie wirklich denken, fühlen oder am Ende machen.
“The trouble with market research is that people don't think what they feel, they don't say what they think and they don't do what they say.”
– David Ogilvy
Wir dĂĽrfen uns allerdings nichts vormachen: KI hat einen groĂźen Einfluss, wie auch Social Media oder z. B. das Wort von Freunden und Bekannten.
Wir wollen hier also eine Rolle spielen.
5. Hochwertige, kalorienreiche Reichweite schlägt Fast-Food Engagement
“While reach is still essential, it is crucial to keep in mind that different types of reach do not have equal value in terms of influence. High-reach touchpoints give brands wide exposure, but they don’t always drive influence.
For example, marketers focused solely on reach may incorrectly assign equal value to an ad that consumers scroll past quickly, to a 15-second nonskippable video, and to content that captures minutes of attention and creates a lasting impression.”
– Boston Consulting Group

Was Einfluss hat, sind also nicht die leeren Kalorien (= hauptsache Reichweite), sondern vitaminreiche und energiedichte Nahrung (= ultimativ hilfreiche Kontaktpunkte mit unserer Marke).
Viel Reichweite hilft viel, wenn es qualitativ hochwertige Kontaktpunkte mit einer positiven Wahrnehmung sind.
“Touchpoint positivity adds explanatory power to the prediction of change in consideration as compared with touchpoint frequency alone.”
– aus “The Impact of Different Touchpoints on Brand Consideration”
Das Aufgeilen an Traffic-Kurven und unspezifischen Sichtbarkeitsindizes hilft uns nicht weiter. Es wird immer um Relevanz gehen und nur relevante Reichweite hat wirklich Einfluss.
6. Mehr Touchpoints = höhere Chance als Marke ausgewählt zu werden
McKinsey hat vor mehr als 10 Jahren geforscht, inwieweit zusätzliche digitale Touchpoints helfen können, als Marke im Entscheidungsprozess ausgewählt zu werden:

Es handelt sich auch hierbei um eine Umfrage, keine Beobachtung und die Daten sind älter. Aber nochmal:
Je häufiger ich etwas (in positiven Kontexten) höre/sehe/erlebe, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich an Dich erinnere. Wenn Du mir bei Problemen geholfen hast, vertraue ich Dir zusätzlich.
Ich rate Dir also früh sichtbar zu sein und nicht erst aufzutreten, wenn andere den Entscheidungsprozess bereits massiv geprägt haben.
Sichtbarkeit ist kein Zufall, sondern eine Entscheidung
KI mag unsere Inhalte nehmen und für weniger Traffic sorgen. Aber wir haben trotzdem Möglichkeiten, Meinungen zu prägen. Vertrauen aufzubauen und Kaufentscheidungen zu beeinflussen.
Ich bin also fĂĽr Sichtbarkeit, bevor andere die Erfolgsgeschichte unserer Zielgruppe schreiben.
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