Dachtest Du Dir in der Schule oder im Studium auch öfter mal "Wofür brauche ich das in meinem Leben?" Mir ging es gelegentlich auch so. Nachdem ich mich letzte Woche an mein Studium zurückerinnert habe, tue ich das auch in dieser Woche.
Vor ein paar Jahren haben wir uns in einem praktischen Modul damit beschäftigt, Geschäftsideen zu entwickeln. Um damit anzufangen, sollten wir das Buch "Blue Ocean Strategy" lesen. Vieles, was ich gelesen habe, habe ich vergessen. Damals konnte ich noch nicht so gut lesen wie heute – daher kommt es wieder auf die Leseliste. Aber die Kernidee blieb mir immer im Kopf.
Anstatt Dich in eine Schlacht im bereits mit Blut rot gefärbten Ozean zu begeben, suchst Du Dir neue Gewässer, in denen Du ruhig fahren, gestalten und Dein Unternehmen/Produkt ohne (zu viel) Konkurrenz aufbauen kannst.
Ein Beispiel ist die Marke Yellow Tail der australischen Weinkellerei Casella. Eigentlich war der Weinmarkt in den USA stark umkämpft. Durch den Einsatz der ERRC Matrix und der daraus resultierenden Positionierung konnte Yellow Tail im umkämpften Weinmarkt durchstarten und erfolgreich sein.
Und genau das lässt sich wunderbar auf SEO übertragen, da wir inzwischen eine hoch professionalisierte Branche sind, in der die SERPs in großen Teilen von wenigen großen Playern dominiert werden und für kleine Fische nahezu kein Platz im Becken ist.
Ein typisches SEO-Beispiel
Egal ob Du Berater oder Beraterin bist, oder inhouse arbeitest: Wir alle haben entweder selbst versucht, zu schwierige Keywords abzudecken oder hatten schon mal mit jemandem zu tun, der/die mal gesagt hat "ich will hier auf der 1 sein". Das muss nicht nur auf der Basis von Keywords passieren, sondern kann wie oben beschrieben schon mit der Geschäftsidee anfangen.
Der kleine Shop gegen Amazon. Das funktioniert nicht, wenn man versucht, das zu machen, was Amazon macht, nur in klein. Um hier erfolgreich zu sein, muss man die Rolle des Spezialisten einnehmen und andere Routen schwimmen, als Amazon.
Strategien für Red Ocean 🔴 SEO
Alex Birkett von Omniscient hat diese Woche einen Knallerartikel zu dem Thema Red Ocean vs Blue Ocean SEO rausgehauen und die Ideen möchte ich mit Dir teilen. Alex beschreibt zwei Strategien, wenn der Wettbewerb groß ist:
Fisherian Runaway SEO und
einen "unfairen Vorteil" nutzen
Fisherian Runaway
"Fisherian runaway selection refers to the theory first proposed by R.A. Fisher (1930) that the exaggerated secondary sexual characteristics of animals could evolve by means of a runaway evolutionary process in which an initial small adaptive dimorphism was then further developed into a much more heightened trait by an ongoing interactive combination of female selective choice and increased male advantage."
Quelle der Definition für Fisherian Runaway
Direkt aus der Evolutionstheorie rein ins SEO. Es geht um sexuelle Selektion, hervorgehoben durch die Auffälligkeit von Männchen gegenüber Weibchen. Klingt weit hergeholt, ist es vielleicht auch. Aber es beschreibt sehr gut einige Techniken, die im SEO Anwendung finden.
Die "Skyscraper Technik" ist ein gutes Beispiel. Im Prinzip geht es um immer mehr, um Google und Nutzer*innen zu beeindrucken – wir haben gerade letzte Woche noch gesagt, dass mehr nicht immer gut ist. Es können aber auch mehr Links, mehr Artikel, etc. sein. Das funktioniert nur solange gut, in Fällen, in denen Du viel Budget hast. Unsere Ressourcen sind häufig aber begrenzt, auch wenn KI uns hilft, die Content-Produktion zu beschleunigen.
Einen unfairen Vorteil nutzen
Hier gibt es laut Alex drei Wege:
Finde Deinen unfairen Vorteil,
weniger kompetitive oder andere Keywords erschließen oder
außerhalb von Google vermarkten
SWOT-Analyse - mit klassischem Ansatz zum unfairen Vorteil
Den unfairen Vorteil findet man beispielsweise durch eine SWOT-Analyse. Was kannst Du besser als die Konkurrenz? Jedes Unternehmen hat spezielle Ressourcen oder ähnliches, die Du hebeln kannst. Das ist übrigens auch Teil von Johan's SEO-Strategie Template.
Beispielsweise bist Du zwar ein kleineres Unternehmen als Dein Konkurrent, kannst dafür aber durch bessere Strukturen schneller auf Marktveränderungen reagieren. Oder Du hast unternehmenseigene Daten, die Konkurrenten nicht haben und kannst dadurch einzigartige Inhalte veröffentlichen, die gerne gelesen und verlinkt werden.
Weniger kompetitive oder andere Keywords erschließen
Um weniger kompetitive oder andere Keywords zu finden, kannst Du diese drei Techniken verwenden:
Surround Sound SEO
Die Walmart Strategie
Pain Point SEO
Viele Buzzwords, ich weiß. Surround Sound SEO kann man als Markendominierung bezeichnen. Anstatt beispielsweise nur darauf zu zielen, das Top-Ergebnis zu werden, versuchst Du, Teil von jedem Ergebnis in den SERPs zu werden. Das hat mich an die Idee des Brand SERP Domination Scores von Darius Erdt erinnert, als ich über den SEOkomm Vortrag "Sichtbarkeit Extrem" geschrieben habe.
Das klappt natürlich nicht bei allen Keywords. Wenn es aber Listen der "x besten" Tools, Agenturen, etc. gibt, dann kann das ein guter Weg sein, mehr Augen durch SEO für die eigene Marke zu bekommen.
Die Walmart Strategie ist relativ klassisches SEO, aber mit dem Fokus auf Keywords, die ein kleines Suchvolumen haben – dafür aber in großer Menge und mit geringem Wettbewerb.
Pain Point SEO ist Product-Led SEO (das Buch kann ich nur empfehlen) sehr ähnlich. Anstatt Deine Keyword-Recherche in SEO Tools zu starten, fängst Du mit Deinen Zielkunden und -kundinnen an. Was für Probleme, Herausforderungen und Schmerzpunkte gibt es während der Customer Journey und wie kannst Du dies gezielt mit relevantem Content adressieren?
Falls Du im B2B arbeitest, sind SEO Tools häufig auch nicht Dein bester Freund. Nur weil etwas laut Tool kein Suchvolumen hat, heißt das nicht, dass danach nicht gesucht wird. Und im B2B reichen oft 2-3 Suchen im Monat aus, um Umsätze im sechs- bis siebenstelligen Bereich zu erzielen. Auch wir arbeiten gerade mit einem Kunden zusammen, bei dem wir auf Umwegen zu relevanten Keywords finden müssen.
Für dieses Beispiel nennt Alex relevante und hilfreiche Tipps, wie z. B.
auf Konferenzen und Messen aktiv in Gesprächen direkt von der Zielgruppe zu lernen,
Umfragen für neue Blog-Themen,
in den Kommentaren zum Blog nach Ideen suchen und
in Foren aktiv sein und nach interessanten Themen Ausschau halten.
Google belohnt aktuell vor allem Reddit und Quora durch das Hidden Gems Update – Quellen, die für die Recherche besonders nützlich sind.
Außerhalb von Google vermarkten
Nicht immer ist SEO sofort der richtige Kanal, um Traffic aufzubauen. Ähnlich wie bei E-Mail Marketing dauert es eine Weile, bis es ordentlich vorwärts geht. Das ist nicht immer eine Option und nicht immer ist ein Start Up beispielsweise in der Lage, 6-12 Monate auf erste Erfolge zu warten. Das heißt aber nicht, dass SEO ignoriert werden sollte.
Wenn Du Deinen erstklassigen Content veröffentlicht hast (= ein Feuer gestartet hast), brauchst Du Druck auf dem Thema (= Brandbeschleuniger). So würde ich es auf den Punkt bringen:
When you see a little spark of fire like this, you're not gonna pour water on it, you pour petrol and make it into an inferno.
Wenn Du Content nur veröffentlichst und nicht ordentlich vermarktest, dann ist es wie als würdest Du Dein Feuer direkt selbst löschen. Ideal ist, wenn der Distributionsprozess direkt bei der Planung berücksichtigt wird, damit der Erfolg kein Zufallsprodukt ist.
Gängige Kanäle für Brandbeschleuniger sind beispielsweise
Für SEO könnte das z. B. auch heißen, dass Du Gastbeiträge schreibst, in einem Podcast sprichst, oder Ähnliches. Der Ball muss erstmal ins Rollen kommen und SEO ist ein Teil einer erfolgreichen Online Marketing Strategie. Orbit Media macht, wie ich finde, sehr gutes Content Marketing und ist was Content Distribution angeht, ein sehr gutes Beispiel, von dem man viel lernen kann.
Strategien für Blue Ocean 🔵 SEO
Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder gibt es bereits Nachfrage, aber die Konkurrenzsituation ist entspannt oder es gibt bisher keine Nachfrage. Wir schauen uns beide Fälle an.
Nachfrage vorhanden, aber bisher wenig/keine Konkurrenz
Das ist ideal. Du kannst einfach loslegen, relevanten Content zu veröffentlichen. Selten, aber es kommt vor.
Keine Nachfrage und daher keine Konkurrenz
Hier muss man erneut zwischen zwei Ausprägungen unterscheiden. Entweder hast Du erfolgreich die ERRC Matrix eingesetzt, um Dein Produkt einzigartig zu positionieren, oder ein Produkt in einer Branche entwickelt, die noch in Kinderschuhen steckt.
Für den ersten Fall hole ich eins meiner Lieblingsbeispiele aus der Trickkiste, das auch Alex in seinem Artikel nennt: Webflow – ein Website Builder Tool, das den Fokus auf "No code, Low code" setzt. Webflow ist übrigens auch ein gutes Beispiel für Product-Led SEO und Programmatic SEO, die ohnehin gerne Hand-in-Hand zusammen gehen.
Als Webflow erschien, gab es bereits viele unterschiedliche CMS, mit denen Du Websites bauen und Inhalte veröffentlichen kannst. Das Thema "No Code, Low Code" war aber neu. Dazu kam erstklassiges Content Marketing (in Form von produktrelevanten Artikeln, sowie hervorragenden und humorvollen Tutorials) und ein programmatischer Ansatz, um User Generated Content für SEO-Sichtbarkeit zu hebeln. Im folgenden Bild siehst Du beispielsweise die Performance vom /made-in-webflow Verzeichnis, in dem von der Community erstellte Websites zu finden sind, die man sich häufig als Template kopieren kann:
Falls wenig/bis keine Nachfrage da ist, kannst Du Dich einzigartig positionieren und langfristig selbst dafür sorgen, Nachfrage aufzubauen, oder hoffen, auf der hoffentlich größer werdenden Welle mitzuschwimmen und den "First Mover" Vorteil zu nutzen.
Blue Ocean > Red Ocean
Es wäre fantastisch, wenn wir immer neue blaue Ozeane finden könnten. Die Welt entwickelt sich schnell weiter, daher gibt es in deutlich kürzeren Zyklen Potenziale, die Du hebeln kannst. Das führt auch dazu, dass man schneller reagieren muss, was wiederum mit generativer KI möglich gemacht wird. Wir sind immer schneller unterwegs.
Was Du auf jeden Fall mitnehmen solltest: Es gibt auch Möglichkeiten und Wege, in einer umkämpften Branche Fuß zu fassen – Du musst nur wissen, wie.
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