Heute musst Du Dich anschnallen und festhalten, weil es viel zu berichten gibt. Kurzum: Vergangenen Dienstag fand die Google I/O 2024 statt und Google hat statt nur einer groĂen Bombe (SGE) viele kleinere und gröĂere Cluster-Granaten abgeworfen, die teilweise jetzt und teilweise in naher Zukunft in den Suchergebnissen einschlagen.
Was gibt's Neues in der Google KI-Welt?
Erstmal Schnellfeuer in Stichpunktform:
AI Overviews (= was bisher immer SGE war) rollen in den USA aus und andere LĂ€nder folgen ("soon", was auch immer das bedeutet)
Verfeinerung des AI Overviews, fĂŒr z. B. einen einfacheren oder detaillierten Output
Multi-step-Reasoning, um komplexe Fragen zu stellen und dafĂŒr angepasste Ergebnisse zu bekommen
Plan ahead, um beispielsweise Meal Plans zu erstellen
AI Result Pages, die die SERP deutlich verĂ€ndern, aber erstmal nur fĂŒr inspirative Suchanfragen kommen sollen
Videos aufnehmen und KI dazu befragen
DevTools bekommt auch Gemini Support
Das gibt es alles erstmal nur in den USA und fĂŒr englische Queries. Genaue Veröffentlichungsdaten fĂŒr die einzelnen Features gab es nicht, auĂer dass AI Overviews jetzt ausrollen. Damit dieser Artikel nicht viel zu lang wird, lasse ich Screenshots und einzelne ErklĂ€rungen weg â schau am besten in den Blog Post von Google rein, um die bewegten Bilder anzugucken.
Barry Schwartz hat von Hema Budaraju (Senior Director of Product, Search Generative Experience) weitere Informationen bekommen:
AI Overviews gibt es nur fĂŒr einen Teil der Queries und wenn Google denkt, dass sie hier einen Mehrwert bieten â eine genaue Zahl wollte man nicht nennen
Es gibt Daten zur SGE, aber diese sind mit normalen Web-Ergebnissen vermischt, sodass wir nicht wissen, wie hoch die CTR in den AI Overviews ist
Ads wird es natĂŒrlich auch geben, wenn ein AI Overview auftaucht, wie bisher in den Labs
Es gibt keine Opt-Out Möglichkeit, auĂer Du sperrst Google vollstĂ€ndig in der robots.txt aus oder verteilst nosnippet-Attribute, um einzelne Teile Deines Contents aus den AI Overviews rauszuhalten â beides keine groĂartigen AnsĂ€tze
Featured Snippets sollen bleiben
Wann könnte die SGE nach Deutschland kommen? Schwierig zu sagen, da wir auf alles deutlich lÀnger warten und nach den USA hÀufig andere LÀnder dran waren.
Liz Reid hat auĂerdem folgendes gesagt:
"That means that this week, hundreds of millions of users will have access to AI Overviews, and we expect to bring them to over a billion people by the end of the year."
"over a billion" könnte eine Milliarde und ein Mensch bedeuten. Das wÀren dann ca. 12-13% der Weltbevölkerung, klingt erstmal nach wenig. Aber erstmal abwarten und Tee trinken.
Stimmen zu den AnkĂŒndigungen mit Fokus auf SGE
Kevin Indig ist nicht begeistert und stellt vor allem in Frage, ob die Aussage bezĂŒglich der angeblich höheren Klickrate stimmt.
Ryan Jones kritisiert das SEO-Google-Hater-Lieblingsbeispiel mit "foods that end with UM", weil die gleiche Gruppe hochkomplexe Anfragen und Datenanalysen mit LLMs durchfĂŒhrt und diese Ergebnisse dann nicht in Frage stellt. Interessant, dass John Mueller das gefĂ€llt, weil Ryan indirekt ja zustimmt, dass SGE ebenfalls nicht reif ist.
Lily Ray amĂŒsiert sich köstlich zu einigen Google Search Central Community Posts:
Cory Doctorow wirft ebenfalls ein kritisches Auge auf KI in der Google Suche:
"Google bills this as "let Google do the googling for you." Rather than searching the web yourself, you'll delegate this task to Google. Hidden in this pitch is a tacit admission that Google is no longer a convenient or reliable way to retrieve information, drowning as it is in AI-generated spam, poorly labeled ads, and SEO garbage."
Thomas Höppner sieht das Àhnlich und greift das Beispiel von Google an, in dem es um das Keyword "how do you clean a fabric sofa" geht. Anstatt die Frage gezielt und schnell zu beantworten lÀge der Fokus darauf, User zu Ad Clicks zu bewegen und der AI Overview sei vielleicht nur halluziniert. Dem kann ich nicht 100% zustimmen.
Die SGE funktioniert anders als ein regulĂ€res LLM und in der Regel kommt es zu deutlich weniger Halluzinationen. Das heiĂt nicht, dass die Antwort nicht Schrott sein kann. Warum weniger Halluzinationen? DafĂŒr mĂŒssen wir uns kurz das Patent fĂŒr die SGE anschauen.
Einfach erklÀrt: So funktioniert die SGE laut Google Patent
Letztes Jahr hat Google ein Patent öffentlich gemacht, in dem es um die SGE geht. Im Prinzip funktioniert die SGE wie folgt:
Nimm eine Suchanfrage entgegen
Suche basierend auf Vector Similarity passende Search Result Documents (SRD) aus, die zu dieser Suchanfrage und verwandten Suchanfragen passen
Generiere ein Snippet aus jedem passenden SRD (multimodal) basierend auf der Vector Similarity und Korrelation zu den Suchanfragen
Diese Snippets schiebst Du durch ein passendes oder mehrere passende LLMs*, um eine Antwort aufzubauen
Den finalen Output lieferst Du in natĂŒrlicher Sprache, basierend auf dem Output des LLMs und beschrĂ€nkst diesen auf die Inhalte der SRDs
Rendere den Inhalt fĂŒr User und male Hinweise und Quellen an das Ergebnis
*Die SGE kann ein, mehrere oder kein LLM verwenden, um Antworten zu generieren.
Da ist also weniger Spielraum fĂŒr Halluzinationen wegen der Eingrenzung auf bestimmte SRDs. NatĂŒrlich bleiben Halluzinationen bzw. schlechte Ergebnisse nicht vollstĂ€ndig aus, vor allem wenn das Set an ausgewĂ€hlten SRDs Blödsinn enthĂ€lt. Ein passendes Beispiel dafĂŒr hatte ich in meinem Artikel "Quellenschauer in der SGE".
Wenn die SRDs Mist sind, dann ist auch der Content im AI Overview Mist.
Meine 5 abschlieĂenden Gedanken zur Google I/O
Zum Schluss noch 5 Gedanken, die ich letzte Woche auch auf LinkedIn geteilt habe.
1/ SGE ist live (in den USA) aber ganz anders, als in den Search Labs
SGE in den Search Labs letztes Jahr, SGE vor 2 Monaten und SGE jetzt live sind drei Paar verschiedene Schuhe, die alle anders ausfallen.
Es gibt spĂŒrbar weniger Suchanfragen, die einen AI Overview auslösen. Wenn Du selbst mal rumprobiert hast, wirst Du das sicherlich auch feststellen. Die Ergebnisse sind auch nochmal aggressiver gecached (sowohl Text, als auch Layout, Produkte & Co.), wodurch es deutlich stabilere Antworten gibt. Anita und ich haben letztes Jahr getestet und deutlich höhere VolatilitĂ€t gemessen.
Einzelne Features gibt es nicht (mehr), wie die vorgeschlagenen Conversational Pills, vielleicht kommt das aber spĂ€ter nach. Das Produkt ist aber im Kern, wie ich vermutet habe und im SEOSenf Podcast verkĂŒndet habe, ein ganz anderes.
" Die SGE wird, so wie sie jetzt [in den Labs] ist, nicht veröffentlicht".
2/ AI Result Pages sind interessanter, als die AI Overviews
Im zweiten Teil zu Google Under Pressure habe ich Dir erzĂ€hlt, dass auch Social Media wie TikTok & Co. Google in die Rippen stechen. Um dem zu begegnen, brauchen die SERPs mehr "SpaĂ":
"Google muss fĂŒr mehr SpaĂ, mehr Inspiration, mehr Videos und mehr Menschlichkeit sorgen." hatte ich unter anderem geschrieben.
Das tun diese AI Result Pages, die erstmal nur fĂŒr inspirative Themen kommen sollen. Die SERPs haben sich natĂŒrlich verĂ€ndert, aber im Kern ist die Basis immer die gleiche geblieben. Das ist bei diesen Seiten anders.
Unser Gehirn schĂŒttet Dopamin aus, wenn uns neue spannende Dinge begegnen und eine so andere Erfahrung in den Suchergebnissen wĂ€re genau das.
3/ Wir bekommen erstmal keine Daten, was schade ist
Das in der GSC zu mischen, ist Mist. Wenn man so selbstbewusst verkĂŒndet, dass die CTR so gut sei,
"And we see that the links included in AI Overviews get more clicks than if the page had appeared as a traditional web listing for that query."
dann spricht nichts dagegen, diese Zahlen auch auszuweisen. Barry Schwartz sieht das Àhnlich kritisch:
"To me, this makes me feel Google (and Bing) are hiding something from content creators. That the clicks and CTR from these AI powered answers may not generate a healthy click through rate to publishers. I mean, why else won't they show those details?"
Jemand, der/die nichts zu verbergen hat, muss auch nichts befĂŒrchten. Aber das Narrativ ist aktuell ein anderes. Eine (kleine?) Minderheit kritisiert Google massiv und ist sehr laut. Das ist gefĂŒhlt mehr geworden und ist natĂŒrlich ein Risiko. Google ist daher vorsichtig und versucht möglichst wenig Ăl ins Feuer zu gieĂen.
4/ ĂberwĂ€ltigung auf der einen Seite und EnttĂ€uschung auf der anderen Seite
ĂberwĂ€ltigt, weil es so viel neuer Kram ist und mir Orientierung fehlt(e), wann was wo wie live geht. Gleichzeitig bin ich mir auch nicht sicher, ob man das alles ausprobieren muss â ich habe Dir ja nur den Part vorgestellt, der sich auf die Suche bzw. unsere Arbeit bezieht.
EnttĂ€uscht, weil bei KI fĂŒr mich die wichtigste Komponente eines guten Produkts fehlt. Das gilt nicht nur fĂŒr Google Gemini, sondern auch fĂŒr ChatGPT, Perplexity & Co. Diese Komponente ist QualitĂ€t.
Bevor wir jetzt einsteigen und ich dir erzĂ€hle, was QualitĂ€t fĂŒr mich im Detail bedeutet â warum das schwierig ist, erklĂ€re ich hier â möchte ich sagen, dass eine wichtige Eigenschaft von QualitĂ€t aus meiner Sicht BestĂ€ndigkeit ist. Wiederholbare Ergebnisse schaffen. Das ist wie eine Art Versprechen an Deine Kunden.
Wenn ich im Restaurant eine Pizza essen gehe, dann möchte ich, dass sie beim nĂ€chsten Mal genauso oder sehr Ă€hnlich schmeckt. Wenn ich Freunde in das Restaurant fĂŒhre und die Pizza mies ist, dann ist die EnttĂ€uschung groĂ. Diese fehlende BestĂ€ndigkeit ist auch meistens ein groĂer Knackpunkt, warum vielen Unternehmen das Wachstum schwerfĂ€llt â eine gleichbleibende QualitĂ€t sicherstellen ist schwierig.
Das ist die Erfahrung, die ich bisher mit KI hatte. Was einmal mit einem langen, detaillierten Prompt gut funktioniert, scheitert maĂgeblich beim nĂ€chsten Mal. Das nervt.
5/ Google und andere KI-Unternehmen enteignen uns von unseren Inhalten
Vor vielen Monaten habe ich schon OpenAI kritisiert, weil sie wie andere LLM-Anbieter losgelaufen sind und einfach alles an Daten geschluckt haben, was sie irgendwo finden konnten. Damit verdienen sie jetzt Geld. Ohne uns vorher gefragt zu haben, ob wir damit einverstanden sind, wenn sie sich bedienen.
Die Ausrede ist jetzt wie bei einem Ladendieb: "Ja, lass mich doch einfach nĂ€chstes Mal nicht in den Laden" â das ist Schwachsinn.
DarĂŒber wird viel zu wenig gesprochen.
Am Ende wĂ€re ein Ăkosystem nicht mehr lebensfĂ€hig, in dem es keine Klicks gibt. Es muss Anreize geben, Inhalte zu produzieren â sowohl kommerzieller Natur in Form von Produktseiten & Co., z. B. weil Google kein Fulfillment macht, aber auch informationeller Natur, da Fakten nicht Fakten bleiben.
Ich habe jetzt aber genug gesprochen bzw. geschrieben. Was denkst Du darĂŒber? Schreibe mir gerne eine Mail oder Nachricht bei LinkedIn, wenn Du eine andere Meinung, oder Dich in meinen Worten wiedergefunden hast.
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